Orgel Story

Die Geschichte einer 50€ Orgel

PhilippTofahrn, Keyboarder der Progressive Rock Band End of Sense, liebäugelte schon immer damit, eine "richtige" Hammond zu besitzen. Nicht unbedingt für den Live-Einsatz, denn dafür ist so ein Teil einfach verdammt schwer – eher fürs Studio und für Aufnahmen. Oder einfach nur, um sie daheim vorzeigen zu können. Fasziniert von den Originalen, die aus purer Elektromechanik einen phantastischen Sound erschaffen, war auch Andreas, nur schon ein paar Jahrzehnte länger.Wie es der Zufall so wollte, erwähnte der Keyboarder einer anderen Band, er wolle seine alte Hammond verkaufen. Für etwa 50€. Da wurde Philipp hellhörig. Eine Hammond P-100 für 50€. Das ist ein Angebot, das man nicht alle Tage bekommt. Ok, die P-100 ist ein Spinett, keine Console, so wie z.B. die stark begehrte B3, aber sie ist dennoch eine elektromechanische Hammond.
Die Hammond P-100 basiert auf der L-100, die z.B. durch Keith Emerson bekannt wurde. Die P-100 wurde speziell fur den europäischen Markt in Dänemark gebaut, in Amerika wurde sie als PortaB verkauft. Genauer gesagt, handelt es sich um eine vom Werk aus gechoppte L-100, die speziell für Bands zum Touren gedacht war.
Natürlich musste bei einem Preis von 50€ irgendwo ein Haken sein! Zunächst deutete der Besitzer an, dass die Orgel wohl irgendeinen Wasserschaden hat und das Gehäuse nicht mehr in Ordnung wäre. Grundsätzlich kein Problem – das primäre Interesse galt dem ToneWheel Generator, der ja den Großteil des Sounds ausmacht.Ein paar Tage Bedenkzeit vergingen, dann stand der Entschluß fest: die Orgel nehmen wir in jedem Fall! Jetzt erfuhren wir die komplette Geschichte:

Vor etwa 20 Jahren kam der Musiker von einem Gig nach Hause und stellte die Orgel in seinen Keller. Ein paar Tage später stand der Keller unter Wasser, die Orgel wurde völlig überflutet.
Er wollte sie immer schon selbst reparieren, aber fand dafür nie die notwendige Zeit. Daher stand sie unberührt 18 Jahre lang im Keller.
Vor etwa zwei Jahren hatte er dann versucht, die Orgel wieder in Betrieb zu nehmen. (Über etwaiges Ölen sagte er nichts.)
Erstaunlicherweise lief sie an! Ein paar Tasten produzierten Töne, die Drawbars waren nicht zu bewegen und die Klaviatur spielte sich wie ein nasser Schwamm, aber dennoch: sie lief.

Mit diesen Informationen im Kopf gab es drei Möglichkeiten, wie die Geschichte dieser Hammond weitergehen könnte:
  1. Die Orgel ist zu retten. Es reicht aus, sie zu reinigen und ein paar Teile zu reparieren.
  2. Die Orgel ist Schrott. Dann wäre es zumindest eine interessante Erfahrung sie auseinanderzunehmen, und zu lernen, wie sie genau aufgebaut ist.
  3. Die Orgel ist irgendwo dazwischen. Dann wäre es möglich, die defekten Teile durch zeitgemäße Lösungen zu ersetzen, ohne den Charakter der Orgel zu verändern, aber auch mit der Möglichkeit, sie um ein paar Features zu erweitern, wie z.B. Harmonic Foldback.
Schlussendlich bekamen wir die Orgel von ihm geschenkt. Optisch machte die Orgel wirklich nicht mehr viel her. Man sah ihr die vielen Jahre 'on the road' sehr stark an. An vielen Stellen war das Leder schon gerissen, und das Wasser hatte sein Übriges getan. Zu der Orgel gab es noch die zwei Standfüße, die Pedale waren schon lange Schrott.

Ein Konzept entsteht

Was nun mit dem guten Stück anfangen? Der dritte Lösungsweg erschien nach einem Blick in die Orgel am sinnvollsten. Basierend auf den original ToneWheels mit neuen Komponenten ein Hammond-Frontend zu bauen, würde den unverwechselbaren Sound des Originals mit ein paar modernen Features wie z.B. Presets kombinieren.
Die grundsätzliche Idee: Jedem Tonewheel einen eigenen, steuerbaren Verstärker (VCA) spendieren, also insgesamt 87. Die komplizierte Verdrahtung wird dadurch überflüssig. Die normalerweise durch unterschiedliche Widerstände realisierte Gewichtung der Harmonischen kann über einen Mikrokontroller erfolgen und jederzeit modifiziert werden. Das ermöglicht einige neue Features:

  1. Zuschaltbares Harmonic Foldback.

  2. Umschaltbares Anschlag-Verhalten, welches neben dem typischen harten Schalten mit seinem charakteristischen Klick auch ein beliebig weiches "Anblasen" ermöglicht.

  3. Kontinuierliche Drawbars. Vielleicht nicht die wichtigste Option, aber vielleicht "nice to have".

  4. Beliebige Konfigurierbarkeit der Drawbars. Wie wäre es mit der 16. Harmonischen statt der 17.?

  5. Da die harmonische Gewichtung ohnehin zur Laufzeit berechnet wird – wie wäre es mit einer "Orgel-Auswahl", um die Charakteristiken verschiedener Modelle abbilden zu können?
  6. Oder wie wäre es, die einzelnen Tonewheels, ähnlich wie bei einer Kirchen-Orgel, im Stereo-Panorama zu verteilen?

Bleiben Sie dran, es geht erst richtig los ...
 

Teilprojekte:
Umbau des Klaviatur-Scanners